Diese Seite ist noch in Arbeit!
Dordogne-Frankreich
Es
muss nicht immer Lappland sein oder:
Paddeln
wie Gott in Frankreich
Lohnt
es sich überhaupt, über eine Reise Tagebuch zu führen, bei der keine großen
Abenteuer zu erwarten sind? Weil wir bequem auf der Dordogne paddeln wollen, auf
Zeltplätzen übernachten werden und uns - je nach Bedarf - in den Supermärkten
mit neuer Nahrung versehen oder im Restaurant speisen wollen. Ich weiß es nicht
- versuche es aber trotzdem.
Unsere
Anreise beginnt am Donnerstag, dem 15.7. (dem ersten Ferientag) leider erst am
Nachmittag, weil wir vorher noch fieberhaft die Reisebeschreibung über die
Dordogne suchen müssen. Sie war seit über einem Jahr immer da, erst als wir
anfangen zu packen, ist sie verschwunden. Nach langem Suchen taucht sie endlich
im Handschuhfach des Volvos auf.
Da
Ulrike uns einen Korb gegeben hat, übernachten wir auf einem Autobahnrastplatz
hundert Kilometer hinter Nürnberg. Am nächsten Tag fahren Thomas - und
manchmal auch ich - bis kurz hinter Lyon. Die Dordogne ist eben doch sehr
weit von Berlin entfernt. Wir erreichen sie erst am Samstag gegen Mittag,
nachdem wir das Zentralmassiv durchquert haben. Bei Argentat, dem geplanten
Ausgangspunkt unserer Tour, angekommen, ergattern wir einen traumhaften
Stellplatz direkt am Fluss, den wir gar nicht verlassen mögen. Beim Rauschen
der Stromschnellen verbringen wir noch zweieinhalb Tage, in denen wir faulenzen,
lesen und uns erst einmal vom Schul-, Abschieds-, Klassenfahrts- und
Zeugnisstress erholen, dem wir Non-Stop ausgesetzt waren.
Im
Touristenbüro in Argentat erstehen wir eine genaue Karte für die Tour, weil
wir uns in Berlin nicht ausreichend versorgen konnten. Diese Karte ist einfach
toll und zweckmäßig, weil alle wesentlichen Fakten eingetragen sind,
Flussverlauf, Erfordernisse, Schwierigkeiten und Sehenswürdigkeiten und das
Ganze auf völlig wasserunempfindlichem Plastik gedruckt ist. So etwas sollte es
überall geben.
Nun
endlich:
Dienstag,
der 20.7.1999
Wir
haben alles gepackt, was wir zu brauchen glauben, nur meine Klarinette habe ich
vergessen, und verabschieden uns von der netten französischen Familie, die
neben uns wohnt. Dann kann es losgehen. Die Boote sind beladen, aber nicht überladen,
schließlich brauchen wir diesmal nicht für die ganze Zeit Lebensmittel
mitzuschleppen, und wir paddeln los. Nach kurzer Zeit kommt die erste
Stromschnelle, auf die uns unser Reiseführer gebührend vorbereitet hat:
Malpas(sage). Eine Insel im Flusslauf läßt die Strömung steigen. Wir meistern
sie ganz souverän. Vielleicht liegt es an dem niedrigen Wasserstand, dass alle
Hindernisse so leicht zu bewältigen sind; vielleicht sind wir ja auch
mittlerweile erfahrener geworden: Wir sehen eher, wo man aufpassen muss. Und
wenn es eine schwierige Stelle gibt, erkennen wir eher, wo man am besten
durchkommt.
Der
Fluss macht Spaß. Bei guter Strömung gibt es immer wieder Stellen, an denen es
stärker sprudelt und Wellen (wir nennen sie Reiter), durch die man hindurch
schießt. Häufig helfen nur die Spritzdecken, dass die Wellen nicht ins Boot
schwappen. Nach einer relativ ruhigen Zeit lege ich sie ab und bekomme prompt in
der nächsten Schnelle eine volle Ladung Wasser ab. Aber das macht nicht soviel,
schließlich ist es schön warm (Thomas sagt: „brütend heiß!“) und man
freut sich über ein bisschen Abkühlung.
Unsere
Freude über die Dordogne teilen sich allerdings viele hundert Paddler, die vor
und hinter uns in größeren und kleineren Gruppen unterwegs sind. Der größte
Teil fährt auf den „Plaste“- Kanus der Vermietung Safaraid, die hier auf
der Dordogne fast ein Monopol besitzt. Völlig professionell haben sie alles
organisiert - die Transportgespanne fassen mehr als 75 Boote auf einmal.
Aber
die vielen Leute sind kein Problem; vielleicht
Nach
etwa 25 km kommen wir in Beaulieu - das Thomas scheußlich falsch „Bullio“
ausspricht - einem hübschen mittelalterlichen Dorf -
an einem
Mittwoch,
der 21.7.
Aufstehen,
lesen, frühstücken; heute kommen wir schon um elf Uhr los. Der Fluss ist etwas
weniger voll, aber genauso schön. Es gibt anscheinend von Argentat aus viele
Tageskanuten. Paddeln auf der Dordogne ist einfach toll, weil
-
es warm ist,
-
die Landschaft sehr schön ist,
-
die Strömung sehr gut ist,
-
es keine Mücken gibt,
-
heute der Himmel etwas bedeckt ist.
Thomas
- trotzdem mit T-Shirt und Sonnencreme - atmet auf. Kurz
hinter uns kommt ein Kanu. Als wir eine Stromschnelle mit richtig schönen
Reitern passieren, sagt der eine zum anderen Kanuten auf deutsch: „Das macht
doch wieder richtig Spaß.“ Er spricht uns aus der Seele. Bald schließen sie
zu uns auf und wir kommen ins quatschen. Der eine ist die Dordogne schon
mindestens 20mal gefahren, er scheint Gruppen hinunter zu führen. Er empfiehlt
uns zum Übernachten den Ort Carennac, seiner Meinung nach den hübschesten von
all den pittoresken Orten.
Auf
meine Frage hin schlägt er als Fluss auch noch vor, den
Allier zu paddeln, weil der so „richtig“ Strömung hat. Für alle Fälle ein
guter Tipp. Ich kann mir nämlich noch nicht vorstellen, wie wir uns an den rund
hundertzwanzig Kilometern 14 Tage aufhalten sollen.
Irgendwann
fällt das Kanu zurück, weil sie auf die anderen Gruppenmitglieder warten
wollen. Wir fahren weiter.
Es
gibt wieder reichlich kleine zahme Stromschnellen. Eine davon wird mir zum Verhängnis.
Kaum sieht man an einer diagonalen Bodenschwelle, dass wieder alles zur Seite
strömt. Vor uns müht sich ein Floß, um von der Kiesbank wieder ins Fahrwasser
zu kommen. Thomas rutscht noch schnell vor ihnen vorbei,
ich bleibe höflich hinter dem Floß. Dadurch ist mir etwas die Sicht versperrt.
Ich bin aber auch nicht aufmerksam genug. Einem flachen Stein, auf dessen rechte
Seite ich zuschieße, kann ich nicht mehr rechtzeitig ausweichen und - plumps -
liege ich im Wasser. Irgendwie komme ich aus dem Boot heraus, kann gerade noch
meine Brille und das Sitzkissen einfangen, die sich selbständig machen wollen
und schwimme, Paddel in der einen und Kajak in der anderen Hand, auf das Ufer
zu, wo mich Thomas schon erwartet. Das Boot wird ausgeschöpft, ich ziehe mich
schnell um. Alles ist eigentlich kein Problem, nur
furchtbar peinlich, dass es mich schon wieder einmal erwischt hat. Kurz nach uns
kommt eine Gruppe, von denen zwei bis drei Kanus an der gleichen Stelle kentern.
Ein Ausgleich?
Bald
können wir weiterfahren und erreichen wohlbehalten den Zeltplatz kurz vor
Carennac, auf dem wir uns häuslich niederlassen. Wir bauen unser Zelt auf, zum
Essen gibt es Rührei mit Bratkartoffeln und Salat, spielen noch ein wenig
Badminton, bevor wir uns auf den Weg in das einen Kilometer entfernte Carennac
machen. Der Ort ist wirklich hübsch, überwiegend aus dem 16. - 17.
Jahrhundert, ich will am liebsten alles fotografieren. Wir schauen uns
schon mal nach Restaurants um.
Für
mich gibt es ein besonderes Abendprogramm. In der Kirche (etwa 12. Jahrhundert)
höre ich ein Vokalkonzert. Neun Männer und Frauen singen ganz alte
vorgregorianische Musik aus dem Mittelalter. Bei der phantastischen Akustik ist
es ein beeindruckendes Erlebnis. Als ich um elf Uhr wieder nach Hause komme,
wartet Thomas auf mich und wir gehen schlafen.
Donnerstag,
der 22.7.
Wir
haben uns ja vorgenommen, diese Reise anders als bisher mit vielen Pausen und
Ruhetagen zu verbringen. Dadurch aber, dass wir so schnell voran- kommen, bin
ich eigentlich noch gar nicht ruhebedürftig; überdies wir haben durch die
kurzen Tagesetappen auch so die Gelegenheit, uns die Gegend anzusehen. Trotzdem
entschließen wir uns nach einigem Hin und Her, heute einen „Faulen“ zu
machen. Interessant wäre ja ein Fahrradausflug zur hochgerühmten Tropfsteinhöhle
Gouff- re de Padirac. Ich habe aber, da in wir in letzter Zeit genug Tropfsteinhöhlen
besichtigt haben, keine so große Lust dazu.
Letztendlich
vertrödeln und verlesen wir fast den ganzen Tag - es ist übrigens nicht zu
warm heute - ich wasche meine Wäsche, und wir machen uns am Abend auf die
Socken ins Restaurant.
Dafür
versuchen wir beide, uns etwas stadtfein zu machen. Wir entscheiden uns für ein
Restaurant, dass uns ein freundlicher Antiquitätenhändler am Vortage empfohlen
hat. Und wir werden nicht enttäuscht. Unser Fünfgängemenü ist extrem lecker
und überhaupt nicht teuer. Um die Dame des Hauses zu beschwatzen, aus den
verschiedenen Menüs die allerbesten Gerichte zu kombinieren zu dürfen, krame
ich mit Erfolg mein allerschönstes Französisch hervor.
Thomas:
Fischterrine, Nusstorte mit Tomatensoße, Confit de Canard, Käse, Eis;
Ich:
Entenmägen auf Salat (köstlich), Jacobsmuscheln, gebratene Entenbrust mit
Himbeeressigsahnesoße, Käse, Eis.
Völlig
vollgefressen gehen wir im Finstern nach Hause und freuen uns über den schönen
Tag.
Freitag,
der 23.7.
Es
geht wieder weiter, wir starten sogar schon um halb elf. Heute soll nach unserer
Reisebeschreibung die landschaftlich schönste Strecke kommen, und sie ist auch
wirklich wunderbar. Die Dordogne hat sich vor Ur-(oder besser wohl Eis-) zeiten
ein Bett in den weichen Kalksandstein gegraben. Und so fahren wir immer wieder
an hohen Steilhängen vorbei. Ocker, weiß und grau leuchten die Felsen und
werden eingerahmt und gesprenkelt vom Grün der Bäume, die dort wachsen
und zum Teil in den kleinsten Nischen und Spalten Halt gefunden haben. Besonders
atemberaubend sieht es aus, wenn der Fluss direkt an diese Steilküsten anstößt
und das Licht des bewegten Wassers auf die Felsen geworfen wird.
Ich
könnte stundenlang zuschauen, aber es geht ja weiter. Besonders da Thomas, dem
die heute besonders starke Hitze viel mehr ausmacht als mir, zum Weiterfahren drängt.
Darum vermeiden wir weitere Pausen.
Hier
entlang der Dordogne schlängelt sich auch die Straße, auf der wir vor zwölf
Jahren während unseres Frankreichurlaubs mit Marie-France gefahren
Seltsamerweise
gibt es auf diesem sehenswerten Abschnitt weniger Bootsverkehr als sonst. Mir
ist schleierhaft wieso; es kann mir aber nur recht sein.
So
geht die Fahrt bei meist ruhigem
So
landen wir an dem als besonders schön beschriebenen Zeltplatz kurz vor La Cave,
den wir uns als heutiges Etappenziel vorgenommen haben. Der Platz, der uns
zugewiesen wird, ist zwar mit direktem Blick auf den Fluss und dicht am Weg zum
Wasser, aber sonst so ziemlich das Schlechteste, das uns bisher geboten wurde.
Recht laut, dreckig und völlig staubig, weil alles Gras vertrocknet ist. Leider
haben wir gleich bezahlt und können oder wollen
nicht
einfach weiterfahren. Überdies ist es der teuerste Platz von allen, und eine ätzende
Lautsprecheranlage ruft ständig irgendwelche Campinggäste ans Telefon.
Wir
richten uns so gut es eben geht auf unserem Platz ein und freuen uns nur, dass
wir gestern unseren Ruhetag hatten, also nur eine Nacht bleiben wollen. Wir
trinken Kaffee und essen Kuchen, lesen und machen uns zum Abendbrot nach einiger
Diskussion eines unserer „leckeren“ Tütengerichte - Tortelini auf
asiatisch. Es schmeckt gar nicht so schlecht, und weiterhin faul lesend, Tagebuch
schreibend und französischen Landwein trinkend beschließen wir den Abend.
Samstag,
der 24.7.
Wir
kaufen noch etwas auf dem Campingplatz ein und fahren gegen elf Uhr fünfzehn
los. Die heutige Etappe soll recht lang werden, aber wir sind ja gut ausgeruht
und könnten die Fahrt auch notfalls vorher beenden. Zunächst halten wir auf
die Burg Belcastel zu, die oben auf einer Klippe thront, und ihren Namen - Schöne
Burg - völlig zu recht trägt.
Kurz
dahinter soll eine Höhle kommen, in die man angeblich mit dem Kanu fünfzig
Meter weit in den Felsen hineinfahren kann. Wir haben schon unsere Taschenlampe
gezückt und halten nach der Höhle Ausschau, natürlich nach einer ganz großen
Einfahrt. Sicher, diese selbst zu entdecken, frage ich - gegen Thomas´ Rat -
keinen der vorbeifahrenden Angler oder Kanuten. Erst als ich mir nicht mehr
vorstellen kann, dass sie noch kommt, erkundige ich mich bei einem Franzosen,
der mit einer Jugendgruppe unterwegs ist. Doch, meint dieser, da seien wir schon
ein gutes Stück daran vorbeigefahren, etwas über einen Kilometer. Und der
Eingang sei ganz schmal. Thomas fragt mich: „Du willst doch nicht wirklich
dorthin zurückfahren!?“ „Nein, natürlich nicht .... doch!!!“, ändere
ich meine Meinung. Denn schließlich ist es etwas ganz Besonderes, das wir
uns da ansehen wollen.
Erst
als wir zurückpaddeln, merke ich, was ich mir da eingebrockt habe. Die
Gegenströmung, die ich beim Bergabfahren überhaupt nicht wahrgenommen habe,
ist ganz erheblich. Ich ächze und keuche und kämpfe um jeden Meter. Auch
Thomas läuft der Schweiß von der Stirn. Da merkt man erst, wie einem die Strömung
sonst immer hilft.
Endlich
kommen wir an einem ganz engen, ein Meter breiten und zwei Meter hohen Spalt im
Felsen vorbei. Durch das Niedrigwasser kommt man gar nicht mit dem Boot hinein.
Wir legen an, und Thomas erkundet mit der bald versagenden Taschenlampe - ich
habe wohl zuviel beim Schein der Taschenlampe Tagebuch geschrieben - die ersten
fünfzehn Meter zu Fuß und macht Fotos. Wir wollen gerade wieder weiterfahren,
da legt eine Gruppe Franzosen an, bestätigt, dass dies die richtige Höhle sei
Sie bieten uns an, uns mitzunehmen. Da ich vorher Thomas‘ Boot halten musste,
gehe ich nun gerne mit.
Die
ersten Meter sieht man noch ganz gut, dann knickt der Gang ab, und es wird
vollständig finster. Nur vom spärlichen Licht der französischen Taschenlampe
erhellt, tappen wir vorwärts, die Füße im kalten Bachbett, das dort aus dem
Felsen kommt und diesen Gang wohl geschaffen hat. Nach einem zweiten Knick geht
es irgendwann nicht mehr weiter, das Wasser wird zu tief, aber dreißig Meter
werden es wohl gewesen sein. Wir spötteln etwas über die herumliegenden
Gebeine
Das
Tageslicht wirkt nach der Dunkelheit der Höhle unglaublich hell. Wir
verabschieden uns von den netten Franzosen und fahren weiter.
Mit
dieser Aktion haben wir reichlich Zeit und noch viel mehr Kraft verbraucht. Ich
versuche, ohne zu trödeln zu paddeln und voran zu kommen. Die Landschaft wird
ein wenig offener, aber Steilküsten und kleinere Schwälle begleiten uns
weiterhin und lockern die Fahrt auf.
Es
ist schon recht spät, als wir dann endlich in St. Julien de Lampon ankommen, wo
wir für heute und vielleicht auch morgen rasten wollen. Zuerst landen wir links
auf einem ganz einfachen Camping à la Ferme (auf dem Bauernhof), der zwar viel
Atmosphäre, aber leider keinen Schatten hat.
Dann
besuchen wir auf der gleichen Seite etwas weiter einen jener als „sehr schön“
empfohlenen Campingplätze, gegen die ich ein profundes Misstrauen zu entwickeln
beginne. Groß angelegt, mit allem Schnickschnack bzw. Komfort ausgestattet,
aber überfüllt und viel zu laut. Da das Gras wieder eher einer Staubpiste ähnelt,
beschließen wir, uns zu guter Letzt auch noch den dritten Campingplatz auf dem
gegenüberliegenden Ufer anzusehen.
Dort
werden wir endlich fündig. Ruhiger, gepflegter und schattiger ist dieser Platz,
und wir finden ein bezauberndes Eckchen mit Blick auf
den Fluss, auf
Sonntag,
der 25.7.
Heute
schon wieder ein Ruhetag. Ich bin aber ganz zufrieden, weil der gestrige Tag
ziemlich anstrengend war und mir Platz und Ort hier sehr gut gefallen. Nach
einem weiteren Bad im Fluss frühstücken wir und unternehmen eine Wanderung
nach Carlux, wo es eine landwirtschaftliche Verkaufsaustellung geben soll. Auf
einem glücklicherweise recht schattigen Höhenwanderweg erreichen wir den Ort,
wieder sehr schön, pittoresk, der um eine mittlerweile verfallene Burg aus dem
elften Jahrhundert gebaut ist. Während Thomas mal wieder mit seinem Telefon
spielt - er sagt natürlich, dass er versucht, Empfang zu bekommen -
schlendere ich zur Kirche, aus deren offener
Tür wunderschöner Gesang und Orgelmusik dringen. Die Gemeinde ist bei der
Kommunion. Am liebsten würde ich mich dazusetzen, aber Thomas wartet schon auf
mich.
Die
„Halle paysanne“ - ländliche Halle - ist in einem alten Bauernhof
untergebracht und enthält neben für uns uninteressanten kunstgewerblichen
Gegenständen frisches Obst, Gemüse, Wein, Käse, Öl und alle Arten von
Walnussprodukten. Ich steigere mich in einen wahren Kaufrausch, und schwer
beladen mit Nussöl, Confit de Canard, Steinpilzen, Pfifferlingen, Bohnen, Wein,
Käse, Leberpasteten und einem Fünfliterweinfässchen machen wir uns auf den
Abstieg zum Campingplatz.
Es
ist enorm heiß. Ich ziehe mir meinen Badeanzug an, wir verstauen
die Beute in unserem „Kühlschrank“ -
einer mit einem nassen Handtuch bedeckten Abwaschschüssel - und lesen und genießen
den Rest des Tages auf unserem Platz im Schatten. Eigentlich würde ich mal
gerne meine Unterschenkel und meinen Rücken in die Sonne hängen, da ich mit
meiner „Paddelbräune“ merkwürdig gescheckt aussehe, aber das ist mir viel
zu warm.
Das
Abendabendessen, das so großartig geplant war, fängt erst einmal ganz schlecht
an. Als ich die Pilze putzen will, merke ich, dass sowohl Steinpilze als auch
Pfifferlinge voller Würmer sind. Ich ekele mich unwahrscheinlich und will schon
alles wegschmeißen, aber der Geiz siegt. Mühsam und langwierig schneide ich
alle Pilze einzeln aus. Der klägliche Rest, der übrig bleibt, ist
nun zwar garantiert „rein pflanzlich“, aber mein Appetit ist so ziemlich auf
den Nullpunkt angelangt. Dabei wird das Essen mit Béchamelkartoffeln,
Pilzpfanne, gebratener Entenbrust, dazu einer Flasche Rotwein dann doch noch
wirklich gut. Wir stellen nur noch unser Geschirr zusammen und gehen dann,
leicht angetütert, früh schlafen.
Montag,
der 26.7.
Wir
holen unser Baguette wieder vom Bäckerwagen, frühstücken, bezahlen den
Campingplatz und starten so gegen elf Uhr. Die Strecke selbst ist wenig
bemerkenswert, genauso schön wie sonst auch, nur dass fast noch mehr Boote als
sonst unterwegs sind. Überall baden die Leute vom
Boot
Als
Thomas mich wieder einholt, springe ich ins Boot und die restlichen vier bis fünf
Kilometer bis Cénac fahre ich im Badeanzug. Der Campingplatz ist reichlich voll
und sandig, aber da wir nicht wissen, was uns sonst erwartet, entscheiden wir
uns für ein Miniplätzchen unter einer großen Pappel, das halbwegs im Schatten
liegt.
Dies
ändert sich leider im Laufe des Nachmittags, und es ist erbärmlich heiß. Wir
baden wieder im Fluss, dann liest Thomas im Schatten, seinen
Rücken gegen den Baumstamm gelehnt. Ich langweile mich etwas, da mein
spannendes Buch von D. Dunnett beendet ist und ich jetzt nur noch ein französisches
Taschenbuch mithabe, dass ich zwar ganz gut verstehe, das mich aber sonst nicht
so vom Hocker reißt. Ich versuche es auch mit Patience legen. Irgendwann kann
ich Thomas zu einem Besuch im Dorf beschwatzen, wo es aber genauso heiß und
nicht besonders interessant ist.
Abends
mache ich Chili con Carne aus der Tüte - das Carne ist vom Fleischer - was
eigentlich gut schmeckt, aber höllisch scharf gewürzt ist. Nach nur einem
Dienstag,
der 27.7.
Wie
vermutet gibt es in der Nacht ein kräftiges Gewitter, und morgens regnet es
auch noch etwas. Trotzdem legen wir pünktlich ab. 28
Kilometer beträgt
Offenbar
jedoch ist die Sicht vom Wasser aus am schönsten. Denn zu den Kajaks gesellen
sich noch kleine, mit einem Pseudosegel versehene Ausflugsdampfer, um den
zahlreichen Touries den Blick vom Wasser zu ermöglichen.
Unterweg
besprechen wir, dass es eigentlich viel zu schade wäre, die Tour jetzt schon in
Beynac oder Limeuil zu beenden. Wir haben noch viel Zeit und trotz der hässlich
unbequemen Wehre, die nun kommen sollen, beschließen wir, bis Bergerac weiter
zu fahren, denn dort ist laut Kajakführer eine Bahnstation.
Als
wir in Siorac ankommen, achten wir besonders auf intakten Rasen und finden auch
einen Platz, der schön schattig ist und grünen Rasen hat. Nach der
Aufbauzeremonie gehen wir in den Ort einkaufen - endlich wieder ein Intermarché
- und zur Bahn, um uns nach der Rückreisemöglichkeit
zu erkundigen. Was wir vom etwas unwilligen Schalterbeamten erfahren, ist nicht
ermutigend. Zwölf Stunden soll die 100 - 150 Kilometer lange Rückfahrt nach
Argentat dauern! Vielleicht findet sich ja noch etwas Besseres, z.B. eine
Autovermietung; wir lassen es erst einmal offen.
Zum
Mittag gibt es eine ganz ordentliche Paella, die wir fertig eingekauft
haben. Nachts gewittert es heftig. Wir haben Glück, dass uns das Gewitter nie
tagsüber heimsucht. Weniger großes Glück haben wir mit der Wahl
unseres Platzes gehabt. Zuerst stört Thomas die große
Laterne, die genau in unser Zelt scheint. Außerdem befinden sich rund um uns
vier Familien mit Babies, von denen eines garantiert immer schreit. Scherzhaft
diskutieren wir eine Checkliste der Katastrophen und versuchen uns, über die
Reihenfolge klar zu werden: Babies oder Sonne, Lampe oder Staub ...
Mittwoch,
der 28.7.
Wir
gehen nochmals einkaufen, schauen uns bequemere flache Campingstühle an und
kaufen uns noch mehr von dem köstlichen
frischen Schafskäse, den wir erst hier kennengelernt haben. Ich erstehe einen
spannenden französischen Schmöker, da ich mit dem anderen Buch nicht warm
werde.
Danach
haben wir natürlich keine Zeit mehr etwas anderes zu tun, als zu lesen: Ich in
meinem neuen Buch, Thomas liest seinen 750seitigen Tom Clancy aus. Da können
selbst lästige Babies nicht viel ausrichten. Abends gibt es im Topf geschmorte
frische Hühnerteile, nachts nochmals Babygeschrei und Regen. Es wird Zeit, dass
wir wegkommen.
Donnerstag,
der 29.7.
Warum
der Reihe nach schreiben, wenn die Situation gerade im Augenblick einfach zu
merkwürdig ist: Ich sitze im Zelt. Es regnet in Strömen. Thomas ist im
Waschhaus verschollen - er bleibt sicherlich dort, bis der Regen etwas
nachgelassen hat. Und neben mir im Zelt sitzt ein wildfremder Franzose, dem wir
Schutz vor dem Regen angeboten haben.
Ganz
so fremd ist er eigentlich nicht mehr, wir haben ihn nämlich schon heute
nachmittag kennengelernt. Aber jetzt berichte ich doch der Reihe nach:
Heute
früh sind wir zeitig losgefahren; die Strecke ist auch mit 31 km besonders weit
und eine eklige Umtragestelle lauert auf uns kurz vor Ende unserer Etappe. Bald
nach dem Start merke ich, dass sich meine Karte so seltsam schmierig anfühlt.
Ich habe schon die Eier aus der Küchentasche im Verdacht. Aber mit dem Geruch
macht sich auch die Erkenntnis breit, dass wohl mein gutes Nussöl ausgelaufen
sein muss. Ich fahre ans Ufer, die Vermutung bestätigt sich. Die Flasche mit
dem kostbaren Öl ist zu einem Drittel leer. Dafür klebt alles, besonders meine
Hand, mein Paddel und mein ganzes Kajak innen. So eine
Scheiße! Ich reinige notdürftig mit Shampoo Hände und Paddel und wir setzen
unsere Fahrt fort.
Es
gibt nur noch ganz wenige Paddler, der Fluss wird breiter. Jeweils auf einer
Seite befindet sich ein bewaldeter Hügel, auf der anderen Seite sind Bäume,
dahinter Mais- und Tabakfelder. Der Fluss gehört wieder den Reihern, den
kleinen Wasservögeln, den Raubvögeln und natürlich uns. Es ist bedeckt, nur
manchmal kommt die Sonne durch.
So
kommen wir gut voran, passieren schließlich Limeuil, unser ursprüngliches
Reiseziel. Die Dordogne vereinigt sich mit der Vézère, wird
richtig breit - 100 bis 150 Meter - und verliert ihre schöne Strömung. Das
Wehr von Mauzac staut soweit zurück.
Endlich
kommen wir dort an und steigen aus, um uns umzusehen. Es ist wirklich kaum möglich,
direkt umzutragen, also bleiben nur die 800 Meter Portage, zu der ich überhaupt
keine Lust verspüre.
Als
wir zu den Booten zurückkehren spricht uns ein Herr auf französisch an. Er ist
allein unterwegs mit seinem nagelneuen Faltboot und sieht keinerlei Möglichkeit,
allein umzusetzen. Das Ende vom Lied ist, dass wir zuerst unsere Boote
umkarren - es geht erstaunlich
Er
besitzt ein Feinschmeckerrestaurant in Paris, das in etlichen
Gourmet-Zeitschriften erwähnt wird. Er hat sich, um abzunehmen und nicht immer
gutes Essen und Trinken vor sich zu haben, ein Boot und Zubehör - nicht vom
Schlechtesten - gekauft und will damit aktiven Urlaub machen. Ich finde ihn sehr
sympathisch, angenehm offen und witzig. Er hat herrlich
trockene Sprüche drauf. Insgesamt ist er nicht so sehr der feine Oberkoch,
sondern mehr ein uriges Original - bekleidet mit seiner Badehose, Weste und
einem rosa Mützchen. Außerdem genieße ich natürlich die französische
Unterhaltung. Endlich mal mehr als nur Einkaufs- und Campingplatzkonversation,
obwohl ich die auch sehr mag. Französisch ist schließlich auch ein Teil von
mir, den ich sonst nie nutze.
Schließlich
fahren wir gemeinsam zum nahegelegenen Zeltplatz, wo wir unsere Zelte
aufbauen; d.h. seines ist eigentlich nur ein Goretex-Sarkophag,
nicht größer als eine Term-a-rest-Matte und nicht höher als fünfzig
Zentimeter. Ich bekäme sicher Platzangst darin. Sobald unser Zelt steht, fange
ich an, mit viel Waschpulver mein Boot zu ent-ölen. Thomas macht sich auf den
Weg ins zwei Kilometer entfernte Lalinde, um Wein zu kaufen.
Kurze
Zeit später fängt es plötzlich an, ganz heftig zu regnen, wodurch es zur
anfangs beschriebenen Situation kommt. Bald kehrt Thomas zurück.
Jean-François,
so heißt der Franzose (natürlich), geht früh schlafen und Thomas und
ich plündern zum Abendessen eine Dose Fisch und unseren köstlichen frischen
Schafskäse. Im Stockfinsteren beende ich mein heutiges Tagebuch.
Freitag,
der 30.7.
Jean-François
hat uns ein Baguette mitgebracht, wir frühstücken, und zu dritt kommen wir
sogar schon um zehn Uhr weg. Kurz hinter dem Zeltplatz liegt die angekündigte
WW II - mit erheblicher Wellenbildung -, die Thomas zumindest vom Ansehen
reichlich zahnlos fand. Da ich die kleineren Vorschwälle schon für die
eigentliche Stromschnelle
Nach
einer Weile können wir am Wehr von St. Agne anlegen. alle drei Möglichkeiten
des Reiseführers - 1. über lange Treppen direkt umtragen, 2. ein Kilometer
links umtragen und dann durch ein Gebüsch oder 3. drei (!!!) Kilometer rechts
umkarren - hören sich gleichermaßen unannehmbar an. Wir legen an Wehr und
E-Werk an und obwohl uns zwei freundliche Aal-Forscher helfen wollen, sehen wir,
dass es nicht geht. Die zweite Möglichkeit erweist sich als gar nicht so
schwierig. Außerdem liegen auf dem Bauernhof, den
wir durchqueren müssen, unter Bäumen zahlreiche leckere Äpfel, mit den
wir uns reichlich versorgen. Trotzdem sind wir, als wir alle drei Boote
umgetragen haben, verschwitzt und gehen im Fluss baden.
Als
wir dann irgendwann eine Brücke passieren, frage ich Thomas, wo wir sind, und
er antwortet mir, dass wir erst die Hälfte der heutigen 26-km-Strecke bis
Bergerac geschafft haben. Es ist schon drei Uhr, ich habe eigentlich gar keine
Lust mehr, aber mit etwas guter Strömung vom Wehr an geht es dann doch gut
weiter. Die Landschaft ist viel offener, die Hänge sind flacher und der Fluss
ist breiter geworden. Trotzdem empfinde ich auch diese Strecke noch als sehr
reizvoll. Der Boden des Flusses ist weitgehend felsig. Dies mag auch der Grund
sein, warum ein derart großer Fluss nie für herkömmliche Schifffahrt genutzt
werden und so schön und naturbelassen bleiben konnte. Blanken Felsen kann man
schließlich nicht ausbaggern.
Obwohl
wir ja eigentlich unsere Reise in Bergerac
Gegen
fünf Uhr kommen wir endlich an, finden ein hübsches Plätzchen mit Seeblick,
bauen die Zelte auf und gehen einkaufen. Wir sind nämlich völlig abgebrannt.
Zurück auf dem Zeltplatz
Samstag,
der 31.7.
Morgens
gehe ich noch in den Ort, um eine Karte der restlichen Flussstrecke zu finden.
Daher können wir von unserem Platz erst gegen elf Uhr aufbrechen. Das Wehr nach
eineinhalb Kilometern, dass als ganz leicht passierbar beschrieben ist, zwingt
uns, die Boote einhundert Meter zu umkarren. Das dauert wieder eine Stunde, aber
dann geht es ohne Schwierigkeiten
weiter.
Ich
freue mich, zu entdecken, dass der Fluss immer noch - oder wieder - eine flotte
Strömung und sprudelnde „Schwällchen“ hat, obwohl er schon so groß
geworden ist. An den Ufern sieht man jetzt mehr und mehr Bauernhöfe, Datschen
oder herrschaftliche Anwesen. Der Mais, der dort sonst angebaut wurde, wird von
Obstplantagen und später auch von Weinbergen abgelöst. Wir nähern uns dem größten
und mit St. Emillion auch berühmtesten Weinbaugebiet Frankreichs.
Als
wir in St. Foy ankommen, fahren wir erst einmal zu weit, weil die DKV
Beschreibung nicht stimmt. Deshalb versuchen wir es zuerst mit
dem Kanuclub, weil man dort besser anlegen kann. Die Jugendlichen, die wir
fragen, ob wir dort zelten können, geben uns die vage Zustimmung, dass es möglich
sei, wenn wir etwas Lärm vertragen können. Wir versuchen es doch lieber auf
dem Campingplatz gegenüber, der zwar hoch liegt, aber gar nicht so schlecht zu
erreichen ist. Als wir unser Zelt hinter einer hohen Hecke auf einem guten Platz
aufgebaut haben, verdunkelt sich langsam der Himmel.
Zum
Mittag macht Thomas Nudeln mit Tomatensoße, die unser Küchenchef mit
guten Ratschlägen begleitet und die er dann auch gar nicht so
übel findet. Ich übrigens auch nicht! Da ich nicht kochen muss, will ich
mich gerade ans Tagebuchschreiben machen, dass ich sträflich vernachlässigt
habe, als wir von einem Herrn zu einem kleinen „Ehrenschluck“ - Boisson d´
honneur - eingeladen werden. Dieser entpuppt sich nach der Begrüßung des
Bürgermeisters als Weinprobe zweier nahegelegener Weingüter. Der Wein - weiß,
rosé und rot - ist hervorragend, am meisten machen mir die gezielten Fragen
Spaß, die Jean-François den Weinbauern stellt: Welche
Lage, welche Bodenbeschaffenheit, Anbaumethode usw. Da lässt sich
der Fachmann nicht verleugnen. Er ersteht zwei Flaschen guten Rotwein und wir
gehen zum Zelt zurück, um in zu trinken. Das Gewitter ist mittlerweile rund um
uns aufgezogen, heftiger Wind kommt auf und, krach, bricht ein riesiger Ast von
einem nur 10 Meter entfernten Baum ab. Glücklicherweise landet er dicht neben
Jean-François´ Zelt, niemand kommt zu Schaden.
Erstaunlich ist, dass rings um uns her der Himmel ganz finster ist. Links
und rechts gewittert es, nur bei uns regnet es nicht.
So
trinken wir erleichtert unseren Wein, freuen uns, dass wir doch auf diesen
Zeltplatz gegangen sind, und was wir alles erlebt haben, besonders als beim
Kanuclub drüben eine Art Techno-Nacht-Fête startet. Thomas sagt „Mini-Love-Parade“.
Auf unserer Seite ist es noch laut genug und dauert die ganze Nacht, auf der
anderen Seite wären uns aber bestimmt die Ohren abgefallen.
Sonntag,
der 1.8.
Es
geht wieder gemeinsam los. Heute nur 26 km ohne Wehr. Meine Arme sind
Jean-François
muss ein paarmal anhalten, weil ihm sein Rücken weh tut, aber letztendlich
kommen wir gut vorwärts, auch wenn man jetzt schon die Auswirkungen
von Ebbe und Flut auf dem
Bald
kommen wir an unserem Zeltplatz in Castillon la Bataille an. Der Zeltplatz ist
jedoch vollständig ausgebucht. Mit etwas Betteln erhalten wir von der sehr
netten Dame des Campingplatzes dennoch ein Eckchen am Wasser vor einem zur Zeit
unbenutzten Wohnwagen. Also wieder Zelte aufbauen. Zum Mittag gibt es die
Reste von gestern, da wir überhaupt keine Vorräte mehr haben. Wir machen uns
Gedanken, wie wir morgen Nachmittag von Libourne nach Argentat
kommen - übrigens mit Jean-François, der von Argentat aus den Beginn unserer
Tour noch anhängen will. Das Problem wird nicht besser dadurch, dass wir
erfahren, dass der einzige Campingplatz in Libourne nicht vom Wasser aus
erreichbar ist. Zwanzig Möglichkeiten - Mietauto, Miettransporter, Kanuclub,
Bahn über Périgeux oder Bergerac, Fahrt nach Argentat oder Les Eysies - werden
erörtert und verworfen. Damit vergeht eigentlich der Rest des Abends. Die Lösung
lassen wir offen.
Montag,
der 2.8.
Morgens
hat sich Thomas dann entschlossen. Wir beenden die Tour einfach hier in
Castillon - 250 km sind auch genug - und fahren alle drei mit der Bahn nach Les
Eysies und von dort aus mit Jean-François nach Argentat. Die Bahn fährt
allerdings erst um 17 Uhr. Und so packen wir sorgfältig unsere Zelte und Boote,
Jean-François packt sein Faltboot ein. Dann geben wir unser Gepäck an der
Rezeption ab.
Gegen
Mittag gehen wir in den Ort, um uns den Bahnhof anzusehen und Fahrkarten
zu kaufen. Der Schalterbe-
amte
macht uns darauf aufmerksam, dass wir auch mit der Bahn um 18.30 Uhr den selben
Anschluss in Le Buisson bekommen.
Heute
haben wir nicht so viel Glück mit dem Wetter. Es zieht wieder ein Gewitter auf,
und wir werden kräftig nass, bis wir uns in ein Café setzen und dort auch ein
recht mäßiges Mittagessen zu uns nehmen können. Ich unterhalte mich mit
Jean-François über sein Restaurant. Sein großer Erfolg beruht offenbar
darauf, dass er sich sehr gut auskennt und dank vieler guter Beziehungen sehr
gute Küche zu einem vernünftigen Preis anbieten kann. Dafür muss er aber auch
täglich von neun Uhr morgens bis zwei Uhr nachts arbeiten.
Der
Regen will einfach nicht aufhören. Schließlich rufen wir uns ein Taxi, dass
uns zum Campingplatz bringt. Dort laden wir unser Gepäck ein, nehmen wärmere
Kleidung mit und fahren zum Bahnhof. Später stellt Thomas fest, dass er seine
Schuhe im Taxi gelassen hat. Ich habe in den zwei Stunden Wartezeit bis zur
Ankunft des Zuges wenigstens etwas zu tun. Ich gehe noch einmal hinaus in den
Regen und mache mich auf die Suche nach den Schuhen, die uns schließlich zum
Bahnhof gebracht werden.
Die
Bahnfahrt führt uns durch Weinberge und Felder zurück, wobei mir die
Landschaft vom Wasser aus - wie meistens - viel besser gefallen hat. Manchmal überqueren
wir die Dordogne, dann schauen wir alle hinaus und versuchen uns zu erinnern.
Leider hat das Unwetter wohl die Signale beschädigt. Sie stehen permanent auf
rot; wir müssen jedes Mal anhalten und dürfen erst nach Sondergenehmigung
weiterfahren. Das kostet viel Zeit und wir haben nur eine Viertelstunde zum
Umsteigen übrig. Ich traue mich gar nicht, Thomas zu informieren - was der mir
natürlich später übel nimmt. Was machen wir nachts in Le Buisson, wenn der
letzte Zug weg ist?
Als
wir endlich mit einer halben Stunde Verspätung eintreffen, steht unser Zug glücklicherweise
noch dort. Wie Jean-François von dem Zugführer erfährt, soll er sogar noch
weitere zwanzig Minuten auf einen anderen verspäteten Zug warten. Wir beschließen,
uns die Wartezeit in der gegenüberliegenden Bahnhofskneipe mit einem Bierchen
zu verkürzen. Wir haben es nach fünf Minuten kaum geleert, da sehen wir,
prompt unseren Zug abfahren. Wir stürzen auf den Bahnhof, er ist tatsächlich
weg. So ein Ärger, natürlich war es der letzte heute. Jean-François geht zum
Bahnhofsvorsteher und beschwert sich bitterböse. Der kontert, dass ihn unser
Problem ja überhaupt nichts anginge und wir schließlich nicht hätten
wegzugehen brauchen. So gibt ein Wort das andere und beide fetzen sich
lautstark. Wunderbarerweise endet es damit, dass der Bahnhofsvorsteher, der
jetzt Dienstschluss hat, anbietet, uns in seinem Auto nach Les Eysies
mitzunehmen. Typisch echt Franzosen. Er bringt uns sogar noch mit unserem
schweren Gepäck bis zu Jean-François´ Auto am Fluss und wir verabschieden uns
herzlich von ihm.
Dann
wird das Auto, ein Kleintransporter bzw. Großkombi, den er sich selbst zu einem
einfachen Wohnmobil umgebaut hat, kunstgerecht beladen. Er hat nämlich nur zwei
Sitze. Für mich wird auf der Ladefläche ein Eckchen frei geräumt.
Um
dreiviertel zehn geht es endlich los. Jean-François meint, dass ich mich bei
den vielen Kurven wohl doch besser in der Mitte halten sollte, und so lege ich
mich quer über Kisten, Kasten und Säcke. Jean-François rast mit echt französischem
Temperament in einem höllischen Tempo über die kurvige Bergstraße. Ein Glück,
dass ich hinten sitze und nicht alles mitansehen muss. Als er dann seine starke
Brille in die Hand nimmt, weil sie zu schmutzig ist, putze ich sie lieber
schnell. Bis Brive geht es noch ganz gut, doch danach kommt Nebel auf. Jean-François
gähnt immer häufiger, fährt aber trotzdem unvermindert schnell weiter.
Thomas
und ich sind extrem erleichtert, als wir endlich nach zwei Stunden Fahrt
wohlbehalten in Argentat ankommen. Auch der Blaubär scheint in Ordnung - weder
weg noch ausgeraubt. Nach einem letzten Schlückchen Bier können wir endlich
wieder nach zwei Wochen im Womo übernachten.
Dienstag,
der 3.8.
Eigentlich
ist die Tour ja jetzt beendet. Kurz soll aber noch der heutige Rückholtag
beschrieben werden. Wir verabschieden uns von Jean-François und fahren zunächst
noch einmal über die Berge nach La Roque Gageac. Der Ort war so schön, dass
wir ihn uns doch noch genauer ansehen wollen.
Wir
besichtigen die mittelalterliche Felsenfestung und schauen auf die Boote
hinunter, die jetzt im Monat August womöglich noch zahlreicher geworden sind.
Von
La Roque Gageac aus halten wir uns an die Dordogne und kommen recht gut vorwärts.
Unterwegs kaufen wir uns auf einer Gänsefarm Foie Gras und schauen uns kurz an,
wie die Tierchen leben. Eigentlich sieht dies ganz beruhigend aus; da wird die
Stopfleber gleich viel besser schmecken.
In
Ste. Foy la Grande suchen wir das Maison du Vin auf. Dort erhalten wir die
Adressen der beiden Weingüter, die am Samstag die Weinprobe auf dem Zeltplatz
veranstaltet haben. Die Dame empfliehlt uns auch noch ein richtig gutes
Restaurant, wo wir die Beendigung unserer Tour mit einem opulenten Menü feiern
wollen.
Aber
zunächst zu den Weingütern. Das eine hat einen köstlichen Rotwein und einen
trockenen Weißwein, der mir sehr gut schmeckt. Das andere hat einen süßen Weißen,
der genau nach Thomas‘ Geschmack ist.
Beim
Probieren und Quatschen vergeht viel Zeit, daher ist es schon fast neun Uhr als
wir endlich fertig sind und reichlich abgefüllt das Restaurant erreichen.
Unsere Sorge, ob wir so spät noch etwas bekommen, erübrigt sich, weil das
Restaurant heute sowieso Ruhetag hat. Also wird nichts aus dem großen Essen. Es
gutes Essen wird es doch noch, als ich auf dem Campingplatz in Castillon aus den
nachmittags gekauften Zutaten eine frische Paella mache.
Morgen
sollen die Boote verladen werden und wir wollen so schnell wie möglich nach
Berlin zurückreisen, um pünktlich zum 70. Geburtstag von Thomas Mutter zu
Hause zu sein.
Schluss !